Die Wiederbelebung der Liebe

Es passierte am 10. Oktober 2011. „Hallo, ist da der Notdienst? Bitte kommen Sie so schnell wie möglich! Mein Mann hat einen Herzinfarkt! Unsere Adresse ...“

In meinem Kopf ist es neblig, das Bewusstsein schwindet irgendwohin, der Körper wird schwer und unkontrollierbar. Das Herz schlägt unregelmäßig und angestrengt in der Brust und füllt den ganzen Körper mit stechendem Schmerz. Ich bekomme nicht genügend Sauerstoff und es fällt schwer zu atmen. Ich verliere das Bewusstsein. Wie durch den Nebel höre ich die weinende Stimme meiner Frau, die den Krankenwagen ruft. Danach die Stimmen der angekommenen Ärzte. Es folgen Spritzen, Infusion, Sauerstoffmaske, der Geruch von SedletzkiMedikamenten ... Dann kommt noch ein Krankenwagen. Mit vereinten Kräften von zwei Notdiensten bringt man mich zurück zum Bewusstsein ... Dann der Abschiedskuss meiner Frau und der Kinder, ich werde hinausgetragen und mit dem Krankenwagen weggebracht. O Gott, wie lange fühlt sich dieser Weg an! Wie schmerzhaft ist jedes Schlagloch auf dem harten Bett des Krankenwagens mit der angeschlossenen Sauerstoffmaske und der Infusion ... Endlich sind wir angekommen. Der Empfangsraum. Die weißen Kittel der Ärzte. Das Krankenzimmer. Ich höre die Ärzte medizinische Begriffe sagen, mit denen ich früher nie zu tun hatte. Und ich begreife, die Rede ist von mir - der Patient sowieso, angekommen auf der Intensivstation um die Zeit ... D.h. ich bin auf der Intensivstation. „Herr, du wirst immer mit mir sein! Auch wenn ich durch das finstere Tal des Todes gehen muss ...“ 

Man legt mich auf das Krankenbett und schließt mich mit Drähten und Sensoren an irgendwelche Geräte und Monitore an. Die Sauerstoffmaske ermöglicht es mir, wenigstens ein bisschen zu atmen, aber ich bekomme trotzdem nicht genug Sauerstoff. Es kommen Ärzte und untersuchen mein Herz, sie sehen sich die Monitore an und sprechen ihre eigene „medizinische“ Sprache und schreiben etwas in ihre Hefte. Der Schmerz ist im ganzen Körper. In meiner Seele ist es traurig. Ich denke an den Tod. Da ist es - das Ende meines Lebens. Hinter mir sind erst 52 Jahre. Eigentlich könnte man noch ein bisschen länger leben! Denn meine Familie braucht mich, ich muss noch die Kinder erziehen. Ich möchte noch einmal meine Frau sehen und sie umarmen. „Lenochka, mein Schatz, es geht mir schlecht ohne dich, du fehlst mir gerade jetzt!“ Aber alles ist in den Händen des Allerhöchsten! „Herr, ich fürchte mich nicht vor dem Tod und bin bereit heimzugehen! Dein Wille geschehe!“

Mir fällt ein, dass irgendwo in der Tasche noch immer mein Handy ist, das man mir erstaunlicherweise bei der Einlieferung in die Intensivstation nicht weggenommen hat. Reden kann ich nicht. Mit großer Anstrengung, mit einer Pause nach jedem Buchstaben, schreibe ich eine SMS: „Lenochka, mein Schatz, ich bin noch am Leben. Und ich liebe dich immer noch sehr. Dein Mann.“ 

Plötzlich höre ich Geräusche und Unruhe im Krankenzimmer. Die Ärzte umstellen meinen Zimmernachbarn, machen künstliche Beatmung und Herzmassage. Von ihm kommt aber kein Lebenszeichen mehr. Ich kann gerade noch den Monitor an seinem Kopfende erkennen. Da ist eine gerade Linie. Vollständiger Herzstillstand ... Es kommen Krankenschwestern, legen ein Laken über ihn bringen ihn raus ... Wer ist der Nächste? Das könnte ich sein. „Herr, ich gehe zu dir! Nimm meine Seele auf, wenn du es heute tun willst. Sei mir Sünder gnädig ...“ Ich begreife sehr deutlich, dass ich heute noch sterben kann, dass ich vielleicht nur noch ein paar Stunden oder Minuten zu leben habe. 

Im Sterben liegend habe ich keinen Tunnel gesehen, wie es einige beschreiben, die einen klinischen Tod erlebten. Aber ich habe den Film meines Lebens gesehen, wie eine Dokumentation, die jemand von der Seite aufgenommen hat. Eine Reihe von einzelnen Aufnahmen, Ereignisse aus meinem Leben, die aufeinander folgen. Vor meinen Augen sehe ich diese Bilder aus meiner Vergangenheit. Auf diesen Bildern erkenne ich mich selbst und dann einen anderen Menschen. Das ist meine Frau. Meine geliebte Lena. Wir haben zusammen 28 Jahre gelebt. Und diese Jahre waren die glücklichsten meines Lebens. 

Aber in den Erinnerungen, die in meinem Bewusstsein auf der Schwelle des Todes erscheinen, sind bei weitem nicht die besten Episoden unseres Ehelebens zu sehen. Hier unser erster Streit nach der Hochzeit. Damals habe ich meine Frau sehr beleidigt und habe sie nicht um Verzeihung gebeten ... Dann weitere Bilder unserer Konflikte, wo ich Unrecht hatte. Vor meinen Augen tauchen immer weitere Ereignisse aus unserem gemeinsamen Leben auf, wo ich grob und egoistisch zu meiner Frau war. Ganz deutlich konnte ich ihr verweintes Gesicht und den traurigen Blick sehen ... Wie oft habe ich meine Frau beleidigt! Wie oft ungerecht kritisiert! Wie viele grobe und lieblose Worte gesagt! Wie oft musste sie wegen mir weinen! Wie viel Geduld hat Gott dieser wunderbaren Frau geschenkt, damit sie 28 Jahre lang einen solchen üblen Kerl wie mich ertragen und geliebt hat!

Meine Hand greift wieder zum Telefon. Mit großer Mühe, mit einer Pause nach jedem Wort, schreibe ich folgende Nachricht: „Lenochka, vergib mir bitte die Enttäuschungen und Tränen, die ich dir in den Jahren des gemeinsamen Lebens zugefügt habe. Wenn Gott ein Wunder tut und mich aus der Intensivstation herausbringt, dann wird alles anders. Vielleicht hat Gott mir diese Krankheit gegeben, damit ich meinen Egoismus und mein Unrecht erkennen konnte. Du bist die Beste auf der ganzen Welt. Ich liebe dich sehr!“

Es ist spät abends. Auf der Intensivstation ist weder ein Arzt noch anderes medizinisches Personal. Mir wird wieder schlecht, ich kann nicht atmen. Ich wähle Lenas Nummer und flüstere mühsam in den Hörer: „Lenochka, mir geht es sehr schlecht, bete für mich! Und vergib mir bitte!“ Mehr kann ich nicht sagen, ich verliere das Bewusstsein. Es scheint alles vorbei zu sein. „Herr, vergib mir meine Sünden ...“

Später habe ich erfahren, dass nach diesem Anruf Lena sofort ins Krankenhaus gekommen ist. Natürlich hat man sie nicht einmal an der Pforte vorbeigelassen. Irgendwie ist sie trotzdem durch die verschlossenen Türen bis zur kardiologischen Abteilung des Krankenhauses gekommen und fand die Fenster der Intensivstation. Von der Straße aus, durch die nicht ganz verschlossenen Vorhänge, in der Tiefe des Krankenzimmers hat sie mich gesehen. Ich lag dort bewusstlos. Und sie konnte nur von Weitem auf ihren sterbenden Mann schauen, weinen und beten ...

Nachts wurden aus der Intensivstation zwei weitere Personen weggebracht, bei denen das Herz aufhörte zu schlagen ... Aber ich habe überlebt. Aus den Fängen des Todes entkommen. Gott schenkte mir wieder das Leben als Antwort auf die Gebete meiner Nächsten und vieler Christen, die von meiner Erkrankung wussten. Am nächsten Tag ging es mir besser. Welch ein Glück ist es, wenn man frei atmen kann, ohne eine Sauerstoffmaske. Die Ärzte prophezeiten mir eine starke Behinderung und völlige Arbeitsunfähigkeit. Aber Gott hat Heilung geschenkt und mein krankes Herz schlägt bis heute, auch wenn es nicht vollständig genesen ist.

Ich lag auf der Intensivstation noch drei Tage lang. Dann kam ich in die reguläre Abteilung. Lena kam sofort, als ich ihr mitteilte, dass wir uns endlich sehen können. Wir haben uns einfach umarmt, wir schwiegen und weinten. Das Leben geht weiter! Gott schenkte mir die Chance, noch weiter zu leben. Aber jetzt wird alles anders! Ich will nicht meine Fehler wiederholen! „Lenochka, ich werde dich nicht mehr beleidigen, nicht mehr verletzen und nicht der Grund für deine Tränen sein. Jetzt wird jede Minute unseres gemeinsamen Lebens, die Gott uns schenkt, für mich kostbar sein. Ich werde dir meine Zeit widmen, mein Herz vor dir öffnen, ich werde mich um dich kümmern, damit du immer glücklich mit mir bist!“ 

Die Wiederbelebung meines Herzens wurde zur Wiederbelebung unseres Ehelebens. Vor dem Antlitz des Todes überprüfte ich mein Leben, meine Werte und auch mein Familienleben. Gott brachte mich ins Leben zurück, aber nicht damit ich in Zukunft etwas tun sollte, sondern, damit ich meine Fehler der Vergangenheit korrigieren konnte. Jetzt schaue ich anders auf das Leben. Ich möchte aus voller Brust atmen, ich möchte leben, aber jetzt richtig! Gott hat mir einen geliebten Menschen geschenkt - meine Frau, mit der ich nicht mehr streiten, sie nicht mehr beleidigen und verletzen will. 

Jetzt sind wir mit Lena uns wirklich nahe und glücklich. Wie schade, dass ich mein Leben nicht früher überprüft habe. Wie viele unnötige Streitereien und Verletzungen, wie viele Wunden haben wir uns gegenseitig zugefügt - statt ein glückliches gemeinsames Familienleben zu führen. Nein, wir haben keine großen Probleme gehabt. Nach außen sahen wir wie eine vorbildliche christliche Familie aus. Ich dachte, dass ich ein guter Ehemann bin und meine Frau liebe. Aber nur Gott wusste, was hinter der verschlossenen Schlafzimmertür passierte, als ich stundenlang meine Beziehungen mit ihr klärte. Und wie viele böse, verletzende Worte sagte ich zu ihr, wie viele Tränen wurden vergossen ...

„Gott, vergib mir das alles! Ich habe deine Lektion verstanden. Vergib mir auch du, Lenochka!“ 

Sedletzki2Nach meiner Rückkehr nach Hause haben wir mit ihr mehrere Tage und Nächte hindurch gesprochen. Wir erinnerten uns an das Erlebte, wir baten um Vergebung, weinten, beteten und fassten Entschlüsse. Nach diesen Ereignissen haben wir uns mit Lena gegenseitig vergeben und fingen ein neues Leben an. Unsere Liebe hat sich erneuert, unsere Herzen sind füreinander offen geworden, unsere Beziehung ist für uns jetzt sehr kostbar. Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns Gott noch schenken wird. Aber wir wollen immer zusammen sein - als eine Einheit! Das ist das größte Glück, das wir erlebt haben. Für eine solche Beziehung lohnt es sich zu kämpfen! Und wir wollen sie keinen einzigen Augenblick missen.

Gott arbeitete lange an mir, erteilte mir Lektionen, um mein Herz zu verändern, um es weich und sensibel meiner Frau gegenüber zu machen. Und diese Veränderung fand genau dann statt, als Gott mich zum Dienst im Seelsorgezentrum „Offenes Herz“ berief. Ohne eine solche Veränderung in meiner eigenen Beziehung zu meiner Frau wäre ich für den Dienst an anderen Familien untauglich. Es musste zuerst eine Wiederbelebung meines Herzens geschehen.

Jetzt habe ich gelernt, jeden Tag, jede Minute zu schätzen, wo ich neben mir den geliebten Menschen sehen und fühlen kann. Danke, Herr, für dieses Tal des Todesschattens. Es brachte mich zurück zum wahren Leben.

Pawel Sedletzki, Omsk

Seelsorge (2)