Wenn wir lernen, uns zu Gott zu wenden und die wichtigen Fragen zu stellen, werden wir die Antworten laut und deutlich hören. Während ich hinten in einer Kirche in Kroatien saß, fühlte ich so etwas wie eine Panikattacke, als ich die Menschen beobachtete, zu denen ich sprechen sollte. 

Zu Gott wendenSie haben so viel bittere Bedrängnis an der serbischen Grenze erlebt. Gerade erst in einem sicheren Hafen angekommen, befanden sich viele von ihnen noch unter Schock. Manche mussten mitansehen, wie ihren Männern oder Söhnen die Kehle durchgeschnitten wurde, wie die Töchter ihnen entrissen und auf einen LKW geladen und weggebracht wurden. Andere kamen zu unseren Treffen aus Güterwaggons, wo sie mit Dutzenden von anderen Flüchtlingen zusammen lebten. Diese provisorischen Unterkünfte sind für sie schon fast zu einem dauerhaftem Wohnsitz geworden. Andere waren noch immer in Gedanken bei ihrem zu Hause, das von Feinden übernommen wurde. Fremde schliefen in ihren Betten, trugen ihre Kleider, saßen an ihren Tischen und schauten sich ihre privaten Papiere und Fotos an. 

Ich bin gekommen, um zu diesen geplagten Menschen zu sprechen. Ich schaute mir meine Notizen an und beschloss, sie wegzuwerfen. Was konnte ich sagen? Welches Recht hatte ich, die ich in meinen eigenen Kleider und einem vollen Magen aus der Ferne gekommen bin, ihnen etwas anzubieten? „Gott liebt Sie und das tue ich auch“ – schien ein bisschen unangebracht zu sein. 

„Wenn ich nur mehr gelitten hätte“, dachte ich, „dann hätte ich etwas zu sagen.“ Aber ich bin nicht in meinem Namen gekommen, mit meinen eigenen Worten. Ich wusste, dass ich eine Botschafterin für Christus war, der gelitten hat. Ich war eingeladen, um ein Wort von meinem König weiterzugeben – über sein Herz und sein Königreich, ein Königreich, in dem es eines Tages kein Leid und kein Schmerz mehr sein wird und wo alle Tränen weggewischt werden. Während ich zum Rednerpult ging, kamen mir die Worte. Ich sagte ihnen: „Die Eltern von Jesus mussten vor mörderischen Soldaten fliehen, die ihr Baby töten wollten. Sie sind zu Flüchtlingen in Ägypten geworden, in einem fremden Land.“ Die Augen in den Reihen hellten sich auf. Die Arme der Eltern schlossen sich fester um ihre Kinder und sie hörten aufmerksam zu. Der Heilige Geist gab mir mehr sanfte Worte. Ich erzählte ihnen, dass Jesus eine große Familie hatte. Er kümmerte sich um seine verwitwete Mutter und die vielen Brüder und Schwestern. Aber dann kam ein Tag, wo er sein Haus verlassen musste und andere sich um seine Familie kümmern. Das muss schwer für ihn gewesen sein. Die Köpfe der Leute nickten. Diese Menschen verstanden einen solchen Verlust der Kontrolle. 

„Jesus wusste, was es bedeutet, obdachlos zu sein,“ erzählte ich weiter. „Eines Tages sagte er: ‚Ich, der Messias, habe nichts, wo ich mein Haupt hinlegen kann’ (Matth. 8,20). Manchmal war er hungrig, manchmal war er durstig. Manchmal hatte er keine Zeit zum Schlafen. Dann, eines Tages, nagelten ihn böse Menschen an das Kreuz – nackt. Er starb an seinen furchtbaren Wunden und an einem gebrochenen Herzen.“ Tränen begannen über ihre ausgemergelten Wangen zu fließen, die von Schmerz gezeichnet waren. 

„Manche dieser Dinge, die Christus passiert sind, sind auch euch passiert. Schmerz und Trauer sind gekommen und ihr konntet ihnen nicht entfliehen. Ihr hattet keine Wahl in dieser Sache. Aber dieser Jesus – der König – vom Himmel gesandt, hatte eine Wahl! Bevor er gekommen ist, wusste er, was ihn erwartet. Er war Gott und er hatte die Macht, sich selbst zu retten. Aber er tat es nicht. Warum? Er hatte einen Grund, ein Ziel, als er es zuließ, dass er gekreuzigt wurde: Er liebte uns. Er kam zu uns in unsere furchtbare Welt und erlebte unsere Drangsal, unsere Probleme und unseren Schmerz. Er starb, um uns zu vergeben und uns mit Gott und miteinander zu versöhnen.“

Ein Lied ertönte leise. Manche standen auf, andere knieten und hoben ihre Hände zu Gott empor. Viele weinten offen. Dann war das Treffen vorbei und wir gingen zu den medizinischen Zelten, zu der Essens- und Kleiderausgabe. Gott ist in der Lage, seine Leute zu halten und zu versorgen, wenn die Schwierigkeiten kommen. Wenn wir lernen, uns zu Gott zu wenden und die wichtigen Fragen zu stellen, werden wir die Antworten laut und deutlich hören – und „Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebr. 4,16).

 

Jill Briscoe

lebt mit ihrem Mann Stuart in den USA und ist Autorin von über 50 Büchern. Als Referentin für Frauenarbeit hat sie viele Länder bereist und ist die Herausgeberin der christlichen Frauenzeitschrift „Just Between Us”.